Produktion 1996

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Und alles auf Krankenschein



Plakat: Nörs Diesel
Autor: Ray Cooney
Regie: Sylvia Kubli
Premiere: Donnerstag, 29. Februar 1996

Doktor David Mortimer, dienstältester Neurologe im St. Andrews-Krankenhaus, überarbeitet an einem verschneiten Dezembermorgen ein letztes Mal seine Ansprache, die er um zwölf Uhr vor einem Ärztekongresses halten soll. Die Rede ist besonders wichtig, denn findet sie Anklang, winken Chefarztwürde und Adelstitel. Kein Wunder also, dass Dr. Mortimer sich nur ungern stören lässt. Doch von Ruhe kann keine Rede sein, denn ausgerecht an diesem Vormittag holt den etablierten Arzt seine Vergangenheit ein. Unverhofft taucht nämlich Jane Tate auf, eine ehemalige Krankenschwester, und bezichtigt den schockierten Doktor der Vaterschaft ihrer inzwischen 18jährigen Tochter Leslie. Und als Zugabe erklärt Jane, dass Leslie zur Zeit das Krankenhaus auf den Kopf stellt, um ihren Daddy zu finden. Das ist das Letzte, was der gestresste David im Moment brauchen kann. Er muss seine Rede halten, koste es, was es wolle, und dieses unverhoffte Weihnachtsgeschenk soll auspacken wer will. Also entwickelt er einen genialen Plan, doch bald geht alles drunter und drüber in St. Andrews: Kostüme und Identitäten werden laufend gewechselt und es wird gelogen, dass sich die Bretter biegen - von den Rollstühlen ganz zu schweigen. Und das alles auf Krankenschein!

Mit Ray Cooneys temporeicher Boulevardkomödie It Runs In the Family griff das Kleintheater 12 nicht etwa in die Klamottenkiste, sondern hatte eine typisch britische Komödie voll brillianter Einfälle und witziger Dialoge ausgewählt. Damit wollten wir einen Beitrag zur Geshundheit unseres Publikums leisten. Denn was ist gesünder, als herzhaft zu lachen. Auch wenn das seit Januar 1996 gültige Krankenversicherungsgesetzt neu zum Teil auch die Kosten für Präventivmassnahmen übernahm, waren wir nicht sicher, ob die ZuschauerInnen den Preis für die Eintrittskarte ihrer Krankenkassen senden durften.

Der britische Komödienautor Ray Cooney hat für sein Stück aus dem Vollen geschöpft: Bunte Charaktere, viel Tempo, witzige Dialoge und Überraschungen am laufenden Band sorgten dafür, dass kein Auge trocken blieb. It Runs in the Family bot zwei Stunden bester Unterhaltung - für Publikum und Spieler! Obwohl wir ein wenig unsicher waren, ob diese mit im Vergleich zu früheren Produktionen doch eher banale Boulevardkomödie Erfolg haben würde, konnten wir schon während der Proben davon ausgehen, dass auch das Publikum Tränen lachen würde. Genau so ist es denn auch gekommen. Die Vorstellungen füllten sich von Tag zu Tag mehr und wir konnten schliesslich einen neuen Zuschauerrekord verzeichnen. Soviel gelacht wie im Krankenschein hatte man in Schwamendingen schon lange nicht mehr.
Zum Erfolg trug aber wohl noch eine zweite Massnahme bei: Erstmals hatten wir die neun Vorstellungen über vier Wochenenden verteilt. Die Mund-zu-Mund-Propaganda hatte funktioniert und auch notorische Spätzünder hatten genügend Zeit, eine Eintrittskarte zu besorgen. Abgesehen vom Erfolg (finanziell und idell) hatte es uns auch ganz einfach grossen Spass gemacht, wieder einmal Komödie zu spielen. Was wir noch nicht wussten: ein Jahr später durfte in Schwamendingen erneut gelacht werden.

Der Autor, Schauspieler und Theaterproduzent Ray Cooney gehört zu den erfolgreichsten englischen Komödienschreibern der Gegenwart. Eines seiner Stücke ist seit gestern in Zürich zu sehen. Das Kleintheater 12 zeigt im Kirchgemeindehaus Schwamendingen das Stück "Und alles auf Krankenschein". Pio Marzolini hat es gesehen:

"Das Kleintheater 12 existiert bereits seit 1969. Lange Jahre waren seine Aufführungen eher ein Quartierereignis. Seit einiger Zeit aber finden sie weit über Schwamendingen hinaus Beachtung. Für dieses Jahr haben sich die Profiregisseurin Sylvia Kubli und ihr zehnköpfiges Laienensemble eine aktuelle britische Erfolgskomödie ausgesucht: Ray Cooneys Zweiakter "Und alles auf Krankenschein" - Originaltitel "It Runs in the Family". Das Stück spielt in einem Londoner Krankenhaus. Dr. David Mortimer ist ein mittelmässiger Neurologe, der nach zwanzig Jahren eine einmalige Chance bekommt. Ein Ärztekongress findet im Krankenhaus statt und der kleine Dr. Mortimer soll einen Vortrag halten. Es winkt die Chance, Oberarzt zu werden und in den Adelsstand aufzusteigen. Doch ausgerechnet an diesem Tag taucht nach 18 Jahren eine ehemalige Krankenschwester auf und konfrontiert Dr. Mortimer mit den Folgen eines gemeinsamen ausserehelichen Abenteuers, nämlich mit einer pubertierenden Tochter. Diese stellt das ganze Krankenhaus auf den Kopf. Dr. Mortimer hat einen Riesenstress, vor seiner Ehefrau, dem Ärztekongress, Patienten, Kollegen und einem Polizisten seine frivole Vergangenheit zu verbergen. Es kommt zu haarsträubenden Turbulenzen mit Missverständnissen, Ausreden, Rollentausch - Ärzte verkleiden sich als Krankenschwestern - , Situationskomik, die die fast 150 Premierenzuschauer mit vielen Lachern und begeistertem Applaus belohnt haben. Zu wünschen übrig lässt die sprachliche Leistung.

Es muss ja nicht gleich perfektes Bühnendeutsch sein, aber bei drei der zehn Darstellerinnen und Darsteller ist die dialektalische Färbung so stark, dass es stört. Auch ist die Verständlichkeit nicht immer gut. Eine reife Gesamtleistung hingegen bietet das Ensemble im Spielerischen. Was das Kleintheater 12 körperlich und mimisch bietet, lässt streckenweise vergessen, dass hier Laien auf der Bühne stehen. Die Handlung des Stücks wird wohl immer verrückter, die Darsteller widerstehen aber der Versuchung, zu übertreiben und noch selber eins draufzusetzen, und so wird es nie peinlich. Und das Stück selber hat die Qualität, dass es wohl verrückt ist, aber nicht vorhersehbar. Es bleibt spannend, wie wohl alles ausgehen wird."

Pio Marzolini zur neuesten Produktion des Kleintheaters 12 "Und alles auf Krankenschein" von Ray Cooney. Zu sehen ist diese Produktion an diesem und den nächsten vier Wochenenden immer am Freitag und Samstagabend um acht Uhr im Kirchgemeindehaus Schwamendingen am Schwamendingerplatz. Billettvorverkauf im Bücher-Treff Schwamindengen.

Theaterkritik, gesendet am Freitag, 1. März 1996, 09.15 Uhr im "Radio Z" (Übersetzung und Transkription der Dialektsendung durch KT12)

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