Nummer 12 - September 2000
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Kinder der Nacht

Schloss Dracula


Dracula:
(über heulende Wölfe)
Hören Sie die Kinder der Nacht? Was für Musik sie machen!
Jonathan:
Musik? Diese Bestien?!
Dracula:
Ja, mein Herr. Ihr Stadtbewohner seid eben nicht imstande, einem Jäger nachzufühlen.

Der Startschuss für die Produktion 2001 ist gefallen. Mit Bram Stoker's DRACULA feiert der wohl berühmteste Vampir aller Zeiten sein längst fälliges Bühnen-Comeback.

Von Stephan Ganz

Der 27. Mai 1999 ist ein heisser und schwüler Frühlingstag. Die Mitglieder des Kleintheaters 12 diskutieren anlässlich der Generalversammlung über die Stückwahl für die Produktion im Jahr 2001.

«Amadeus» ist gerade erfolgreich abgespielt und für das Jahr 2000 sind die «Reporter» in Vorbereitung. Was soll als nächstes folgen? Eine Komödie? Ein zeitgenössisches Stück? Warum nicht ein Schweizer Autor? Oder wie wäre es mit Horror? Horror - diese Idee lässt aufhorchen! Und fast einstimmig erhält die Stückwahlkommission den Auftrag, nach spielbaren Horror-Stoffen zu suchen. Keine leichte Aufgabe, wie sich leider schnell herausstellt. In mühsamer Kleinarbeit können in den folgenden Monaten schliesslich verschiedene Vorlagen organisiert werden. Beim Lesen wird schnell klar, dass die Definition mit «Horror» sehr weit gefasst ist und vieles beinhalten kann: «Das Gespenst von Canterville» - ein verstaubtes Stück über einen spukenden Geist lässt heute niemanden mehr erschauern. Und auch «Carmilla» - ein Stück über eine Vampirin, verspricht viel und ist doch nur zum Einschlafen. Warum nicht auf eine literarische Vorlage wie «Frankenstein» oder «Dracula» zurückgreifen? Die Geschichten sind bekannt, wurden mehrmals verfilmt und existieren auch als Bühnenfassungen. Letztere entsprechen allerdings nicht unseren Vorstellungen. Doch die Idee, den Vampir der ersten Stunde auf die Bühne zu bringen, lässt uns nicht mehr los. Zu gross ist die Faszination, die spannende Geschichte dieses berühmten Untoten zu erzählen. Weil eine bestehende Dramatisierung nicht befriedigt, wird entschieden, den Roman für unsere Aufführungen neu zu adaptieren. Für diese happige Aufgabe können wir mit Claudio Ricci einen versierten Theatermann verpflichten. Und so wird das fast Unmögliche schliesslich möglich gemacht: Nach nur vier Monaten legt Claudio eine erste Fassung des Stückes vor, die schon einiges verspricht. Auch die Ideen unseres Bühnenmeisters Heinz Brehm lassen die Herzen höher schlagen. Wir können es schon jetzt kaum erwarten, bis es wieder heisst: Vorhang auf!

Das Stück

Bram Stokers Roman «Dracula» handelt vom uralten Vampir Graf Dracula, der in London ein Haus kauft, um sich - nach Jahrhunderten im einsamen Transsylvanien - die moderne Welt, und vor allem deren Blut, zu erschliessen. Den jungen Anwalt Jonathan Harker, der ihn in seinem verfallenen Schloss aufsucht, überlässt Dracula - natürlich nachdem er ihn gebissen hat - seinem Schicksal (oder besser: drei Vampirinnen). Doch Jonathan kann fliehen, und als er wieder in London eintrifft, hat Dracula bereits Lucy, die beste Freundin seiner Verlobten Mina, gebissen. Lucy stirbt und wird selbst zum Vampir. Dr. Seward, Lucys Hausarzt und Leiter einer Irrenanstalt, bittet wegen der merkwürdigen Todesumständ seinen alten Lehrer, Professor van Helsing, um Hilfe. Dieser lüftet schnell das Geheimnis und erlöst vorerst Lucy von ihrem traurigen Vampirdasein. Dann beginnt die Jagd auf den Grafen und seine Gehilfen...

Der wahre Dracula

Als der Engländer Bram Stoker (1847-1912, Theaterkritiker und -Leiter) im Jahr 1890 das erste Mal vom «Pfähler Vlad Tepes» hörte, liess ihn die Gestalt dieses dunklen Fürsten nicht mehr los. Im seinem 1897 erschienenen Roman «Dracula» war dann der Graf auch sehr deutlich als Tepes zu identifizieren. Dieser lebte von 1431 bis 1476 in Rumänien. 1456 gelang es Vlad III. Tepes Draculea, den Thron zu erobern. In den sechs Jahren seiner Herrschaft erwarb er sich einen Ruf als grausamer Fürst: Er liess Gesandten die Hüte am Kopf festnageln, Abertausende von Leuten pfählen, er trank das Blut seiner Opfer, tötete mindestens eine seiner Frauen und eine Mätresse, «beseitigte» die Armut, in dem er die Armen verbrannte und zwang die Zigeuner zum Kriegsdienst, in dem er sie vor die Wahl stellte, gegen die Türken zu kämpfen oder ihre eigenen Kinder zu verspeisen. Schon sein Beiname «Dracul» (vom lateinischen Draco=Drache) erweckte Furcht. Und in rumänischer Sprache bedeutete «Drac» sogar Teufel! Für einen Vampir wurde er allerdings nie gehalten. Erst Bram Stoker machte ihn zum blutsaugenden Ungeheuer. •




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